Braucht es im Jahr 2022 wirklich noch einen Beitrag zum Einsatz von KI im Community Management? – die Antwort lautet „Ja!“. Es sind Vorurteile, die trotz zunehmender Digitalisierung und Technisierung immer noch hartnäckig bestehen: KI ersetze Personal, KI mache menschliche Kompetenz überflüssig, KI schaffe Arbeitsplätze ab. Das sind nicht nur drastische Aussagen, sondern auch gefestigte Glaubenssätze, wenn es um den Einsatz maschineller Unterstützung geht. Oft zweifeln die, die von intelligenter Automatisierung am meisten profitieren können, auch am häufigsten an ihrem Einsatz. KI soll dem Menschen jedoch dienlich sein und deshalb ist es unabdingbar, das Handlungsumfeld der Community Manager:innen im Kern zu verstehen.
Was bedeutet es im Community Management tätig zu sein?
Community Manager:innen sind das Bindeglied zwischen Nutzer:in bzw. Kund:in und dem Unternehmen. Sie agieren als Sprachrohr der Marke und sind gleichzeitig aufmerksame Zuhörer:innen, die immer ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der Community haben sollten. Für alle Formen des Feedbacks (u. a. Hass und Diskriminierung) stehen sie an vorderster Front und befinden sich damit im direkten Austausch mit Nutzer:innen.
Hinter “Community-Moderation” verbirgt sich immer auch eine gewisse wechselseitige “Einflussnahme”. Moderator:innen können Diskussionen unmittelbar positiv oder negativ beeinflussen. Ebenso haben Reaktionen von Nutzer:innen einen Einfluss auf die Moderator:innen – und dieser ist nicht zu unterschätzen. Konstruktiver Dialog ist im eher unpersönlichen Umfeld der Online-Kommunikation nur in wenigen Communities zu beobachten. Community Manager:innen stehen deshalb einer großen Herausforderung gegenüber und fühlen sich im Tagesgeschäft oft allein gelassen oder nicht ausreichend unterstützt.
Christian Urban, Redakteur bei nordbayern.de beschrieb einen Tag in seinem Job, an dem er sich mit vielen Hasskommentaren konfrontiert sah, in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur so: „Ich fühle mich leer nach so einem Tag. Das ist wahnsinnig anstrengend und man verliert ein bisschen den moralischen Kompass, wenn man sich den ganzen Tag nur durch diesen Hass quält. Wenn ich dann da rauskomme, dann brauche ich so ein bis zwei Stunden, um wieder in der Realität anzukommen und mich zu finden.“
Christina Jochim ist Psychotherapeutin in Berlin und zählt einige Social-Media-Redakteur:innen zu ihren Klient:innen. Ihr kommen Aussagen, wie die von Christian Urban bekannt vor. Dem Deutschlandfunk Kultur sagt sie “emotionale und physische Distanz seien wichtig für einen guten Umgang mit Hasskommentaren”. Der Kern liege darin, dass es vielen zunehmend schwerer fällt, sich von dem, was sie tagtäglich lesen müssen, klar abzugrenzen, erklärt sie weiter.
Kommt an dieser Stelle eine KI zum Einsatz, wird die Gefahr der Beeinträchtigung der mentalen Gesundheit von Community-Redakteur:innen deutlich reduziert. KI ist jedoch nicht gleich KI und es ist auch nicht DIE eine KI, die als Heilsbringer dient. Für das komplexe Aufgabenfeld des Community Managements bedarf es unterschiedlicher assistiver Module, die auf die individuellen Aufgaben des Jobs zugeschnitten und trainiert werden. Drei Beispiele sollen verdeutlichen, wie KI in den einzelnen Aufgabenbereichen unterstützen kann.
Wer soll diese ganzen Kommentare lesen und moderieren?
Zu der mitunter hohen psychischen Belastung kommen Zeit- und Aufgabendruck. In Sachen Aufnahmefähigkeit hat das menschliche Gehirn jedoch seine Grenzen. Ganz abgesehen davon hat der Tag auch nur 24 Stunden. Wenn sich Community Manager:innen also mit über hunderten oder gar tausenden Kommentaren täglich konfrontiert sehen, ist der Einsatz einer trainierten KI nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig. Große Kommentarvolumen stellen für das Community Management oftmals eine Überforderung dar, für das Training einer KI sind sie hingegen ein Geschenk. Je mehr Kommentare die KI verarbeitet, desto besser können Menschen sie trainieren und die KI-Mechanismen schärfen.
Das Ergebnis ist eine zuverlässige Sortierung akzeptierter und abgelehnter Kommentare. Der prozentuale Anteil der Kommentare, die noch einmal durch eine:n Community Manager:in geprüft werden müssen, wird so mit jeder Woche geringer und die KI damit immer zuverlässiger. Und plötzlich haben Community-Management-Teams wieder Zeit für die kreativen Aspekte ihrer Arbeit und die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Nutzer:innen ihrer Community.
Was, wenn der Shitstorm ausgerechnet sonntags tobt?
Jede Community hat ihre ganz eigene Dynamik und Shitstorms haben nie ein gutes Timing, denn niemand wünscht sie sich. Sie erfolgreich unter Kontrolle zu bekommen, verlangt vor allem Schnelligkeit. Werktags mag das Social-Media-Team das Ganze vielleicht noch leisten können, aber was, wenn es die/den eine:n Community Manager:in in Bereitschaft am Sonntagabend trifft?
Ein Tool mit assistiver KI, das rund um die Uhr läuft und bereits den Beginn eines Shitstorms meldet, kann das Team entlasten und schützt neben der Community auch das Produkt, die Marke und das Unternehmen. Hate Speech und Spam haben dank der automatisierten Schutzfunktion darüber hinaus ebenso wenig eine Chance, Unruhe unter den Nutzer:innen zu stiften.
Wozu braucht es noch Community Manager:innen?
Zunächst einmal ist es wichtig, ein gutes Community-Management-Team aufzustellen. Mitbringen müssen Community Manager:innen hohes Kommunikationstalent, ein gutes Gespür für die Einschätzung von Diskussionen und Situationen, sowie Verhandlungsgeschick und Empathie. Da sich Community- und Social-Media-Management-Teams häufig auf kommunikativ dünnem Eis wiederfinden, ist es wichtig, auf diese Eigenschaften besonders viel wert zu legen im Recruiting.
Gute Community Manager:innen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Nutzer:innen kennen, den Vibe der Community wahrnehmen und darauf basierend konstruktive Diskussionen initiieren. Wo bieten sich Gelegenheiten für Dialog? Wie kann ich Mitglieder der Community am besten abholen? Verstehe ich ihre Bedürfnisse und nehme ich sie ernst? Das sind Fragen und Aufgaben, denen erfolgreiches Community Management und Community Building nachgehen sollten.
Umfasst eine Community hunderte oder gar tausende Mitglieder, ist auch die/der beste Community Manager:in der Welt nicht mehr in der Lage, alles zu überblicken und zu reagieren, wenn sich etwas unter den Nutzer:innen tut. KI ist in einem solch dynamischen und komplexen Umfeld für das Dialogmanagement nicht nur eine Chance, sondern eine zuverlässige Lösung. Sie bietet die Möglichkeit das Verhalten von Nutzer:innen aufzuzeigen (Nutzer:innen-Historie), über häufig kommentierte Beiträge zu informieren oder Schwierigkeiten, wie z. B. Hate Speech und Diskriminierung anzuzeigen.
Darüber hinaus trifft sie Entscheidungen, die in ihrer „Bewertung“ konsistent und konsequent sind. Sie hat kein eigenes Bewusstsein sondern hält sich an angeeignete Entscheidungsroutinen, die auf Grundlage großer Datenmengen im deep learning oder als sogenanntes supervised learning antrainiert wurden. Wird ein Kommentar z. B. abgelehnt, so ist es sehr wahrscheinlich, dass bereits hunderte Kommentare vor ihm mit den gleichen Merkmalen abgelehnt wurden. Diese angenäherte maschinelle Reproduktion von menschlichen Entscheidungen führt zur Automatisierung von Prozessen, die im Alltag unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch nehmen und dem ein oder anderen Teammitglied den Spaß an jeglicher Community-Interaktion nehmen. Doch um diese Interaktion geht es doch gerade – die Nutzer:innen mitnehmen, sie begeistern und für sie da sein.
Künstliche Intelligenz schafft hier große Kapazitäten, um dem Credo guten Community Buildings nachzukommen und Nutzer:innen an das eigene Angebot und die Marke zu binden. Der Assistent “KI” hilft dem Menschen, der ihn beobachtet, trainiert und stichprobenartig kontrolliert, lediglich dabei, sich auf die wesentlichen Aufgaben des Jobs konzentrieren zu können.
Mehr Mut zu KI
Das Vorurteil und die Sorge, dass künstliche Intelligenz jegliche menschlichen Ressourcen im Community- und Social-Media-Management ersetze, ist unbegründet. KI bietet viel mehr die Gelegenheit, Communitys interaktiv zu gestalten und Dialoge lebhaft zu führen. Community Teams werden kapazitär – zeitlich und psychisch – entlastet und können ihre kreativen Fähigkeiten in das Community Building investieren. Dabei verlieren sie nicht die Handlungshoheit, die ihre Tätigkeit mit sich bringt.
KI stellt eine Stärkung von Social- und Community-Management-Teams und eine Effizienzsteigerung des Community Managements dar, die schlussendlich auch den Community-Betreibern zugute kommt. Die User Experience im Internet ist bereits dabei sich immer mehr auf Social Channels zu verlagern. Potenzielle Kund:innen kommen zuerst über soziale Kanäle mit einem Produktangebot oder einer Marke in Kontakt. Nur die Unternehmen, die ein hocheffizientes Social- und Community Management mit qualifizierten und motivierten Community Manager:innen aufbauen, werden in der Lage sein, die Nutzer:innen in der Customer Journey von Erstkontakt bis Konvertierung zu begleiten. Schlussendlich hilft KI Unternehmen dabei, wettbewerbsfähig zu bleiben.
Quellen:
Deutschlandfunk Kultur (2019): Community Management: Wenn Hasskommentare die Psyche belasten. https://www.deutschlandfunkkultur.de/community-management-wenn-hasskommentare-die-psyche-belasten-100.html